Dreschflegel e. V.
Deregulierung der Neuen Gentechnik (Dreschflegel 2025)
Die Veröffentlichung des Entwurfs einer EU-Verordnung zu sogenannten neuen genomischen Techniken (NGT) im Juli 2023 übertraf alle Befürchtungen der Kritiker*innen dieser Deregulierung. Riskoprüfung, Kennzeichnungspflicht, Rückverfolgbarkeit sowie Koexistenz- und Haftungsregelungen sind für die erste und Hauptkategorie von NGT-Pflanzen nicht mehr vorgesehen.
Mit fragwürdigen Nachhaltigkeitskriterien können NGT-Sorten einer zweiten Kategorie anhand einzelner Eigenschaften "aufgewertet" und ihnen damit die Zulassung erleichtert werden. Gentechnikfreie, nachhaltige Anbausysteme wie die ökologische Landwirtschaft wä-ren durch diesen neuen Rechtsrahmen extrem gefährdet. Auch eine konventionelle, gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung wird es unter den o. g. Bedingungen nicht mehr geben können.
Im Februar 2024 hat sich das Europäische Parlament zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission positioniert und sein Verhandlungvotum abgestimmt. Es sprach sich, wenn auch mit nur knapper Mehrheit, für den Vorschlag der EU-Kommission aus und somit auch für die Abschaffung der bisherigen Regulierungen für die meisten der zu erwartenden neuen Gentechnik-Pflanzen und gegen die Beibehaltung des EU-Vorsorgeprinzips in diesem Bereich.
Erreicht werden konnten mit Änderunganträgen zu einzelnen Artikeln eine Kennzeichnungspflicht bis zum Endprodukt, mögliche Monitoringverfahren zu Gefahren für Umwelt und Gesundheit und eine - wenn auch als unrealistisch einzuschätzende - Option auf Patentie-rungsverbote von NGT-Pflanzen der ersten Kategorie.
Bevor in den sogenannten Trilog (die Verhandlungen zwischen den drei beteiligten EU-Organen) eingetreten werden kann, braucht es noch die Stellungnahme des Agrar-Rats. Diese muss mit einer qualifizierten Mehrheit beschlossen werden.
Trotz hohem Druck wurde bisher in drei aufeinanderfolgenden Ratspräsidentschaften (Spanien, Belgien, Ungarn) kein mehrheitsfähiger Kompromiss erreicht. Zu viele Fragen blieben ungeklärt und wichtige Forderungen einzelner Mitgliedstaaten, die den Kommissionsvorschlag ganz oder teilweise ablehnen, wurden nicht aufgenommen. Themen, wie der Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und die Grundlagen der Risikobewertung, wurden nicht ausführlicher diskutiert.
Im ersten Halbjahr 2025 übernimmt Polen die Ratspräsidentschaft, das bisher an seiner Kritik am Kommissionsvorschlag festhält. Polen hatte seine Ablehnung allerdings vornehmlich mit erwarteten negativen Folgen einer Patentierung von NGT-Pflanzen für die herkömmliche Züchtung und Landwirtschaft begründet. So könnte möglicherweise eine Regelung der Patentfrage Polen zur Zustimmung bewegen und damit die für das Votum erforderliche Mehrheit schaffen - es sei denn, andere Staaten, so wie Griechenland im Früherbst 2024, entdecken erst noch ihre Kritik am Kommissionsvorschlag.
Da tatsächlich alle NGT-Pflanzen, also auch Bäume und Wildpflanzen, potenziell unter die neue Regelung fallen können, wächst der Druck auf die Regierungen nun auch vonseiten der wissenschaftlichen Ökologie.
Für uns alle, von Züchter*innen und Saatguterzeuger*innen über Landwirt*innen, Gärtner-*innen und Lebensmittelverarbeiter*innen bis hin zu Verbraucher*innen, die weiterhin gentechnikfrei arbeiten und konsumieren wollen, bleibt es dabei, Transparenz, Risikoprüfung und weitere Regulierungen wie bisher für NGT-Pflanzen zu fordern und uns auf allen Ebenen dafür einzusetzen.
Aktuelles auf www.ig-saatgut.de und www.abl-ev.de/themen/gentechnikfrei.