Dreschflegel e. V.
Ein Funke Hoffnung: Preisverleihung und Nachspiel
(Autorinnen: Stefi Clar und Maren Uhmann 2009)
Wer hätte das gedacht? Da stehen zwei "Dreschflegel" mit Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner auf der Bühne einer Veranstaltung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) und des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).
Und nicht nur das, es werden auch noch Dinge hin und her gereicht - Blumensträuße, ein Scheck und ein Brief in die eine, ein großer "Gesetzesrahmen" und ein Brief in die andere Richtung.
Die Vorgeschichte
In Gruppen, die stetig immer größer werden, passieren manchmal merkwürdige Dinge. Da schreiben zwei Leute eine Bewerbung für den Förderpreis Ökologischer Landbau - und schon kommen wir in die engere Auswahl.
Eine hochkarätig besetzte Jury inklusive Begleittross und Filmteam meldet sich für einen sommerlichen Besuch an, und manche von uns fangen das erste Mal an zu rotieren: Was soll da passieren? Wer stellt uns vor? Wer erzählt was zu ausgewählten - welchen!!! - Themen? Wer kümmert sich um ...?
Ein paar Wochen später: Das Filmteam will noch mal nachlegen und braucht noch mehr Bilder. Und da sie schon mitten im Sommer bei besagtem Besuch eine Mähdrescher-Panne und deren Behebung mitbekommen haben, wollen sie gerne die Maschine mal im Einsatz filmen. Und - wie weiter unten noch verständlich wird - dreschen wir bei der Gelegenheit passenderweise gleich die Sojabohne Funke.
Und dann, Seehofer scheidet aus dem Amt (back to Bavaria), Aigner tritt sein Berliner Erbe an und muss sich - da noch recht fachfremd und unbekannt - erst einmal einarbeiten.
Zuzüglich einiger verwaltungstechnischer Probleme verzögert sich die Benachrichtigung der Betriebe, wer denn nun gewonnen hat, im Vergleich zu den Vorjahren um mehrere Wochen. Wir hätten Ende November oder Anfang Dezember irgendetwas hören sollen. Stattdessen erfahren wir Ende Dezember unverbindlich, zwei Personen möchten sich den 23.01.2009 freihalten, um nach Berlin zu fahren.
Erst Anfang Januar ist es dann amtlich: Ja, wir sind eine von drei PreisträgerInnen und mögen uns doch bitte mit einem repräsentativen Stand darstellen. Und schon ist es vorbei mit der ruhigen Winterzeit - zumindest für einige von uns. Wer fährt dahin? Wie gehen wir überhaupt mit der Preisverleihung um? Was für einen "repräsentativen" Stand machen wir? Und nur knapp drei Wochen Zeit ...
Die Preisverleihung
Dreschflegel-Stand bei der
Grünen Woche in Berlin
Wir entschieden uns für einen puristischen Stand mit der plakativen Darstellung unserer beiden Herzensthemen: Vielfalt und Gentechnikfreiheit. So hofften wir uns dem bei solchen Anlässen üblichen Spiel mit netter (Vielfalts-) Dekoration und nichtssagenden Höflichkeiten zu entziehen.
Das hat Gründe: Die Politik redet seit Jahren der Koexistenz, also dem angeblich machbaren Nebeneinander von gentechnikfreier und Gentechnik-Landwirtschaft das Wort.
Gleichzeitig stellt sie keine Regelungen auf für die sogenannte "gute fachliche Praxis" im Saatgutbereich (wie auch, da Koexistenz nicht möglich ist). Die Kosten für Vorsorge und Analysen müssen nach wie vor von denen getragen werden, die gentechnikfrei arbeiten wollen.
Gut bestückt mit großem Holzrahmen und kleinem Brief schritten wir zur Preisverleihung. Landwirtschaftsministerin Aigner hat mit dem Förderpreis unsere Arbeit gewürdigt und damit in unseren Augen auch das Engagement für eine langfristig gentechnikfreie Saatgutarbeit.
Gerne überreichten wir ihr deshalb unsere Mitbringsel: Zwölf Artikel machen Punkt für Punkt deutlich, was bei den derzeitigen Koexistenzillusionen im Saatgutbereich alles ungeregelt ist. Sie nahm diesen Gesetzesrahmen dankend entgegen mit der Zusage, sie werde ihn aufmerksam lesen.
Und das Nachspiel
Unsere Gesetzestafel
Ob sie das getan hat, wissen wir freilich nicht. Wir hatten ihr in unserem Brief ein Gesprächsangebot gemacht, um unsere zwölf Artikel eingehender besprechen zu können. Darauf ist sie bisher nicht eingegangen, aber wir bleiben dran.
Inzwischen hat sie begrüßenswerterweise ein nationales Anbauverbot für den gentechnisch veränderten Mais MON810 - das einzige in der EU zum Anbau zugelassene Gentech-Konstrukt - erlassen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass der Gentech-Widerstand - in diesem Fall in Bayern - auch bei der Politik Früchte tragen kann!!!
Dennoch ist eine grundsätzliche Kehrtwende in der Politik nicht auszumachen, im Gegenteil: Kurz nach diesem Erlass wurden von Frau Aigner die Freisetzungsversuche zur Erzeugung von Saatkartoffeln der gentechnisch veränderten Stärkekartoffel Amflora erlaubt.
Auf Länderebene wurde teilweise recht zögerlich und lax mit entdeckten Verunreinigungsfällen in Saatgut umgegangen: In Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurden die Standorte, auf denen es im Herbst 2007 zur Aussaat verunreinigten Rapssaatgutes gekommen war, nicht bekannt gegeben - obwohl gesetzlich vorgeschrieben. Die Bekanntgabe der Flächen musste erst gerichtlich durchgesetzt werden.
Durch kontaminiertes Saatgut verunreinigte Maisbestände durften 2009 in Baden-Württemberg auf 170 ha und in Rheinland-Pfalz auf 160 ha abblühen und reifen. Hätte die sächsische Landesbehörde schneller die von ihnen entdeckte Verunreinigung bekanntgegeben, hätte die betroffene Charge vielleicht noch vor der Saat zurückgerufen werden können.
Das Bundesprogramm Ökologischer Landbau, bei dem auch der Förderpreis angesiedelt ist, bleibt im Vergleich zu den Mitteln, die vom Forschungsministerium für Gentechnik ausgegeben werden, ein Tropfen auf den heißen Stein.
Spätestens seit den Koaltionsverhandlungen zwischen Union und FDP steht das Anbauverbot des MON810 auf wackeligen Füßen; und die gentechnisch veränderte Stärkekartoffel Amflora der BASF hat sogar den Sprung in den Koalitionsvertrag geschafft: Ihr kommerzieller Anbau und ihre industrielle Verwertung werden von Schwarz-Gelb unterstützt.
Zwei weiter Fälle von Gentec-Verunreinigungen in Lebensmitteln sind aufgeflogen: Im September 2009 gab es zuerst eine große Rückrufaktion wegen Verunreinigungen in Leinsamen, und anschließend führten Verunreinigungen von Gentech-Raps in Senf zu einer brillanten Überlegung des Bundes Deutscher Pflanzenzüchter (BDP), nämlich: auch kleinste Verunreinigungen in Saatgut (falls böse BäuerInnen den Speisesenf aussäen würden) könnten Probleme für eine gentechnikfreie Saatguterzeugung machen (unsere Rede seit Jahren)!
Bei nächster Gelegenheit wird der BDP sicher wieder zum Ruf nach möglichst hohen Verunreinigungstoleranzen in Saatgut zurückkehren. Die Länderbehörden werden sich weiterhin mit Verunreinigungen in Saatgut und Lebensmitteln herumschlagen.
FDP und Union haben im Koalitionsvertrag den Grundstein dafür gelegt, Gentechnologie als "Zukunftstechnologie" massiv voranzutreiben. Ob dies eher zu einer resignativen "Ist-ja-eh-schon-alles-zu-spät"-Haltung führen wird oder ob der Druck auf Politik und Gentec-Lobby erst recht erhöht wird (mit einem breiten Spektrum an Aktionsformen, versteht sich), liegt jetzt bei denen, die langfristig gentechnikfrei leben wollen.
Und was hat die Sojabohne damit zu tun?
Sojabohne
(Skizze: Quirin Wember)
Insofern ist es also gut, selbst Hand anzulegen: Es gibt ja das Preisgeld von 7.500,- €. Wir haben die Idee, unsere Sojabohne Funke zur Zulassung beim Bundessortenamt anzumelden, sie so im großen Maßstab verfügbar und handelbar zu machen.
Ihre besondere Frühreife hat sich in Anbauversuchen der Universität Göttingen bestätigt. Derzeit laufen Vergleiche mit verschiedenen anderen gentechnikfreien Sojabohnen an der Universität Kassel in Bezug auf Ertrag, Proteingehalt und Anbauverfahren. Auch in diesem Vergleich war "Funke" wieder als erste reif, bzgl. des Ertragsniveaus gibt es bisher aber nur Schätzungen: Hier liegt sie hinter den anderen Sorten zurück, aber dennoch im akzeptablen Bereich.
Überraschend ist, dass die Parzelle, in der das Saatgut nicht mit Rhizobien geimpft wurde, bei der vorläufigen Schätzung etwas höhere Erträge brachte, als die geimpfte. Endgültige Ergebnisse liegen zur Drucklegung der Saaten & Taten leider noch nicht vor.
Wir sind gespannt, wie es weiter geht, und hoffen, dass wir mit einer Zulassung ein kleines Symbol für verschiedene Themen, die uns am Herzen liegen, in die Welt bringen: mehr Leguminosen in die hiesigen Fruchtfolgen; regionales, hofeigenes Futter als Alternative zu Futtermittelimporten ("unsere Kühe weiden am La Plata"); gentechnikfreie Soja; eine Sorte ohne Sortenschutz und Nachbaugebühren; Unabhängigkeit von Konzernen.
Klar ist, dass wir auf beiden Ebenen - der Gegenwehr gegen Gentech-Pflanzen und deren PropagandistInnen einerseits und der Schaffung von Alternativen andererseits - neben einem langen Atem viele Gleich-gesinnte und Mitstreitende brauchen!
Das Gentechnikgesetz weist Lücken auf.
Wie gentechnikfreie Saatgutarbeit funktionieren soll, ist nicht geregelt.
Die Grauzone ist zu füllen und wir sagen wie!